Der NABU-Kreisverband Schaumburg hat im Rahmen seiner Kreisvertreterversammlung ein Positionspapier zu erneuerbaren Energien verabschiedet. Maria Rollinger vertritt als Vorsitzende den mitgliederstärksten Naturschutzverband im Landkreis: ca. 3500 Mitglieder in 11 aktiven NABU-Gruppen. "Windenergie ist aus unserer Sicht nicht die vorrangige Komponente," lautet ihr Statement zur Energiewende. Was den Ausbau von Windkraftanlagen betrifft, sind hierzulande Konflikte vorhersehbar, Schaumburg ist einer der am dichtesten besiedelten Flächenlandkreise Niedersachsens. Moderne Windräder haben angesichts ihrer Ausmaße aber nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Menschen, sondern auch auf die Ökosysteme in ihrer Umgebung. "Die Energiewende muss verträglich gestaltet werden - für die Menschen und für die Natur," so Rollinger. "Artenschutz gehört dabei zu unseren Kernanliegen".
Von den Genehmigungsbehörden im Landkreis fordert der NABU eine stärkere Gewichtung naturschutzfachlicher Argumente zu den Standorten für Windkraftanlagen. Angesichts umstrittener Projekte sieht die Kreisvorsitzende diese in Schaumburg nicht hinreichend berücksichtigt. „Ein Problem ist die hier praktizierte Privilegierung von Windkraftanlagen“, erklärt sie. Insbesondere das Projekt in Rinteln (Westendorf) zeige, dass mangelnde Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände als Träger öffentlicher Belange zu erheblichen Konflikten führt. In Rinteln brütet das bislang einzige Seeadlerpaar in der gesamten Mittelgebirgsregion, das Viele durch die geplanten Windkraftanlagen akut gefährdet sehen.
Der NABU Kreisverband fordert u.a., dass Umweltverträglichkeits-Gutachten nur von der Genehmigungsbehörde und nicht vom Bauträger in Auftrag gegeben oder, dass von Bauträgern beauftragte Gutachten einem obligatorischen Prüfgutachten unterzogen werden. Nur so könne man dem Verdacht auf Gefälligkeitsgutachten glaubhaft begegnen. "Den Ausbau von Windenergiestandorten nach dem bisher in Schaumburg praktizierten Verfahren lehnt der NABU Kreisverband ab," stellt Rollinger fest und fordert weiter, dass Genehmigungen die Ausnahme bleiben und nur noch unter vorrangiger Berücksichtigung naturschutzfachlicher Kriterien erteilt werden. Standorte im Wald sowie in sämtlichen Natur- und Landschaftsschutzgebieten müssten tabu sein, ebenso die Lebensräume geschützter Arten wie Rotmilan, Schwarzstorch, Uhu etc.
„Wichtiger als die Förderung von Windenergie-Projekten ist uns, den Fokus auf Energieeinsparung und Effizienzsteigerung zu setzen. Viele Bürger müssen sich aktiv beteiligen, wenn eine Energiewende gelingen soll," so Rollinger abschließend. Beratung von Hauseigentümern, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit in Sachen Energieeinsparung sowie Projekte zum Ausbau der Nutzung von Sonnenenergie im Landkreis Schaumburg werden ausdrücklich begrüßt, auch das Repowering älterer Windkraftanlagen, soweit dies nach den Kriterien für Neuanlagen zu vertreten ist.
Stand: 04.05.2017
Die Umsetzung der Energiewende in Schaumburg muss auf drei Säulen fußen: einer massiven Verringerung unseres Energie- und Ressourcenverbrauchs sowie der signifikanten Steigerung der Energieeffizienz und einer möglichst hohen Deckung des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien. Da der Ausbaustand der Windenergie im Landkreis Schaumburg ein hohes Konfliktpotenzial für Mensch und Natur aufweist, wird diesem Aspekt besonderes Augenmerk geschenkt. Der Landkreis Schaumburg muss zur naturverträglichen Erreichung der Zielsetzungen des Klimaschutzkonzeptes große Anstrengungen leisten, jedoch gehört hierzu ein ausgewogener, auf die lokalen Besonderheiten von Natur und Landschaft Rücksicht nehmender Mix erneuerbarer Energien. Hiermit leistet der Landkreis Schaumburg seinen Beitrag zur Erreichung der niedersächsischen Klimaschutzziele. Der Fokus der zukünftigen Anstrengung sollte – nach derzeitigem Stand der Technik – in den Bereichen der Energieeinsparung (Öffentlichkeitsarbeit und Beratung), der Förderung von Sonnenenergie unter Ausnutzung der Dachpotenziale und des Repowerings alter Windenergieanlagen liegen.
1. Die Naturverträglichkeit und die Berücksichtigung der Interessen der Schaumburger Bürgerinnen und Bürger müssen als politisches und planerisches Leitbild in den Ausbau der Erneuerbarer Energien integriert werden und bei der Wahl des Standortes leitendes Kriterium sein. In diesem Zusammenhang ist der besonderen Situation Rechnung zu tragen, dass der Landkreis Schaumburg mit einer Bevölkerungsdichte von 231 Einwohnern pro Quadratkilometer einer der am dichtesten besiedelten Flächenlandkreise Niedersachsen ist und sich die Rückzugsräume der Natur auf wenigen Flächen im Landkreis konzentrieren. Aus diesem Grunde kann eine Ausweitung und Neuausweisung der Windenergiestandorte nur noch in Ausnahmefällen erfolgen.
2. Die gängige Abstandsregelung sieht einen Abstand der doppelten Anlagenhöhe zum Siedlungsbereich vor (bei Windenergieanlagen modernen Bautyps derzeit etwa 400 m). Da die Vorbelastungen im dicht besiedelten Landkreis Schaumburg ohnehin bereits höher sind (A2, B65, ICE-Trasse), ist zum Erhalt der Lebensqualität ein Abstand der Windenergieanlagen von mindestens 1000 Metern bzw. das Siebenfache der Anlagenhöhe einzuhalten.
3. Der Landkreis Schaumburg sollte, da keine bestandskräftige Regionalplanung unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes vorliegt, politisch darauf hinwirken, dass WEA-Standorte nicht allein auf der Grundlage von § 35 BauGB ausgewiesen werden, da eine natur- und bürgerverträgliche Standortwahl auf diese Weise allein nicht gewährleistet ist.
4. Für die Berücksichtigung von Naturschutzfragen in den Genehmigungsverfahren sind wissenschaftlich geprüfte Methodenstandards und Leitfäden anzuwenden. Eine ergebnisoffene, qualitativ hochwertige Gutachterprüfung ist dadurch zu gewährleisten, dass entweder die naturschutzfachlichen Gutachten von der Genehmigungsbehörde vergeben werden – oder solange dies nicht möglich ist – dass die vom Investor eingereichten naturschutzfachlichen Prüfungen einem obligatorischen Prüfgutachten unterzogen werden, das von der Behörde beauftragt wird.
5. In Schaumburg befindliche Gebiete des europäischen Natura-2000-Netzwerks, bestehend aus EU-Vogelschutzgebieten und den Flora-Fauna-Habitat-(FFH-) Gebieten, alle Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie geschützte Landschaftsbestandteile sind ausnahmslos freizuhalten. Bei den Ausschlussgebieten muss eine ausreichende Pufferzone gewährleistet sein, deren Größe sich nach den Abstandsempfehlungen im Helgoländer Papier der aktuellen Fassung richten. Aktivitätszentren streng geschützter Vogelarten (z. B. Schwarzstorch, Uhu, Rotmilan und Seeadler) und Konzentrationszonen von Fledermäusen sind von WEA ebenfalls freizuhalten.
6. In Schaumburg wird auf WEA im Wald verzichtet. Bei folgenden Waldflächen – sofern sie nicht bereits über das BNatSchG entsprechend geschützt sind – ist eine Windenergienutzung ausgeschlossen: naturnahe Wälder, alte Waldstandorte sowie solche Wälder, die im Rahmen der Umsetzung der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt als Wälder mit natürlicher Waldentwicklung oder als Wald-Wildnisgebiete ausgewiesen werden. Zu diesen ist zudem eine Pufferzone von 1000 Metern einzuhalten.
7. Genossenschaftsanlagen mit einem Anteil von 60 % Bürgeranteil sind gegenüber privaten Anlagen auswärtiger Investoren zu bevorzugen. So bleibt die Wertschöpfung aus der Bewirtschaftung der Anlagen im Landkreis Schaumburg erhalten
8. Die regenerative Nutzung der Sonnenenergie ist derzeit ein weitaus konfliktärmerer Baustein der Energiewende, auf den ein größerer Fokus gelegt werden sollte. Der Landkreis Schaumburg sollte die Nutzung von Sonnenenergie auf sämtlichen öffentlichen, nicht denkmalgeschützten Gebäuden umsetzen. Zudem sollte eine Studie zum Dachflächenpotenzial in Schaumburg durchgeführt werden. Auf den weiteren Ausbau von Solarparks auf Frei- und Gewerbeflächen sollte im Landkreis Schaumburg aufgrund des hohen Flächenverbrauchs verzichtet werden.
9. Zur Umsetzung der Energiewende ist stärker auf die ersten beiden Säulen zu achten: die Verringerung des Energieverbrauchs und der Energieeffizienz. Hierzu sind die bisherigen sinnvollen Anstrengungen im Landkreis Schaumburg weiter zu stärken, wie beispielsweise die Projekte „Klimaschutz in Schaumburger Schulen“, „Mach Dein Haus fit!“ und die Energieberatung
10. Auf die Förderung weiterer Biogasanlagen ist zu verzichten, da sie den Landschaftsverbrauch fördern, Landwirte aufgrund der Flächenkonkurrenz in Nöte bringen, das Schwerverkehrsaufkommen und die damit verbundene Lärmbelästigung fördern, das Landschaftsbild und die Artenvielfalt negativ verändern („Vermaisung“) und schließlich hinsichtlich der Energiegewinnung wenig effizient sind. Alternative Konzepte sollten landkreisseitig gefördert werden, um den zusätzlichen Anbau von Energiepflanzen zu vermeiden und vielmehr die sinnvolle Verwertung anfallender Biomasse zu ermöglichen.
Beschluss der Kreisvertreterversammlung des NABU Kreisverbandes Schaumburg am 04.Mai 2017