Der neuerliche Aufruf zu Initiativen zugunsten des Ausbaus erneuerbarer Energien im Bereich Solar- und Windenergie in Rinteln führt beim NABU zu einer differenzierten Bewertung, wie Dr. Nick Büscher, Vorsitzender des NABU Rinteln und stellvertretender Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, ausführt: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist wichtig und leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz. Dies ist aber nur die technische Seite des Klimaschutzes.“ Büscher führt aus, dass neben dem technischen auch der natürliche Klimaschutz offensiv angegangen werden muss.
Was natürlicher Klimaschutz bedeutet, lässt sich laut NABU an den Potenzialen des Naturraums im Weserbergland erkennen: Gestärkt werden müssen die natürlichen Kohlenstoffspeicher, hierzu gehört im Wesertal die Flussaue. Über die konsequente Renaturierung der Weser durch die Schaffung von Auenlandschaften in Form von Flutmulden und Altarmen lassen sich mehrere Ziele zugleich erreichen: Es entsteht ein wichtiger Biotopverbund entlang der Weser mit Lebensräumen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, hierzu gehören die selten gewordene Flussseeschwalbe genauso wie der Seeadler, der Fluss wird klimaresistenter bei Dürren und Überschwemmungen und es entstehen natürliche Kohlenstoffspeicher in den Auen selbst. „Die Auenlandschaft Hohenrode ist ein gelungenes Beispiel dafür und die Blaupause für weitere Projekte“, so Büscher. Auch die Förderung von Grünland und Streuobstwiesen begünstigt natürliche Kohlenstoffsenken wie die Bewahrung alter Waldstandorte mit Totholz und einem gesunden Waldboden, der Humus bildet und Kohlenstoffdioxid speichert. Mit einem konsequenten Konzept zur Stadtbegrünung können auch die Siedlungsbereiche klimaresistenter gemacht werden.
Hier hofft der NABU Rinteln auch auf Initiativen der Stadt Rinteln und des Landkreises Schaumburg, um beispielsweise aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und dem Bundesprogramm Blaues Band für die Region profitieren zu können. So werden über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz werden für die nächsten vier Jahre insgesamt vier Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt, um den natürlichen Klimaschutz voranzubringen. „Wir müssen grüne Infrastruktur schaffen, um ganzheitlichen Klimaschutz zu realisieren“, wie Büscher bekräftigt. Um die auf der Weltnaturkonferenz in Montréal festgelegten Ziele zur Unterschutzstellung von 30 Prozent der Landschaft und Meere zu erreichen, wird dem NABU zufolge eine Planungsbeschleunigung für Biodiversität benötigt, um der grassierenden Naturkrise, bestehend aus dem Verlust von Lebensräumen und dem Artensterben, zu begegnen.
Darüber hinaus ruft der NABU zur naturverträglichen Energiewende auf: „Der Verlust der Artenvielfalt ist die größte Bedrohung für die natürlichen Lebensgrundlagen“, wie Büscher betont. Lebensräume sind zunehmend dysfunktional und natürliche Kreisläufe gestört, verursacht durch vielfältigen menschlichen Einfluss. Hier ist anzusetzen und auch die Energiewende so zu gestalten, dass diese Effekte nicht noch verschärft werden. So sind die Gesetzesänderungen des vergangenen Jahres – die Novelle des BNatSchG und die EU-Notverordnung – Mittel, um das Artenschutzrecht „sturmreif“ zu schießen und empfindlich einzuschränken. Büscher kritisiert dies als krasse Schädigung des Naturschutzrechtes sowie der Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft. Er bekräftigt: „So lassen sich Klimaschutz und Naturschutz nicht vereinbaren, wenn man zugunsten des Ausbaus erneuerbarer Energien den Artenschutz opfert und das Thema insgesamt auf den technischen Umweltschutz verkürzt.“
Zukunftsweisender als diese der Abschaffung des Artenschutzes gleichkommenden Gesetzesänderungen sind Büscher zufolge Konzepte, die Natur- und Klimaschutz vereinbaren. Hierzu gehört beispielsweise die Agri-PV-Technologie, die derzeit vom Fraunhofer-Institut erprobt wird und die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen mit der Energiegewinnung zu vereinbaren versucht. Erste angedachte oder geplante Agri-PV-Projekte im Weserbergland machen Hoffnung, dass dies ein erfolgversprechender Weg ist, um Landwirtschaft, Klimaschutz und Naturschutz zugleich zu ermöglichen. Ökologisch wertvolle Flächen, hierzu gehören die Auenbereiche im Wesertal genauso wie der Kamm des Wesergebirges als alter Waldstandort, sind hingegen von der Nutzung für die Gewinnung erneuerbarer Energien freizuhalten und als Bereiche für den natürlichen Klimaschutz zu entwickeln.
Der NABU Rinteln vertraut darauf, dass in Rinteln auch weiterhin mit dem notwendigen Augenmaß und sachlicher Abwägung politische Entscheidungen getroffen werden, so wie es bei dem nach wie vor kritisch zu betrachtenden Windkraftprojekt in Westendorf der Fall war und ist – an der naturschutzfachlichen Sachlage hat sich überdies nichts geändert. Darüber hinaus scheint der Landkreis Schaumburg auch nach den neuerlichen Landesvorgaben die Konzentrationsflächen für Windenergie von 0,09 Prozent mit dem bisherigen Ausbau der Windenergie auf 0,43 Prozent der Landkreisfläche bereits erfüllt zu haben. Dies ist der besonderen Situation im dicht besiedelten Landkreis Schaumburg geschuldet, wozu die enge Topografie im Rintelner Wesertal hinzukommt. „Es gilt nun, Aktionismus zu vermeiden, nachdem die Energiewende in den letzten 30 Jahren nicht konsequent umgesetzt worden ist. Die Energiewende ist naturverträglich und Klimaschutz ganzheitlich zu gestalten“, so Büscher. Der NABU Rinteln freut sich darauf, hier gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik in diesem Zusammenhang einen eigenen Schwerpunkt zu setzen, damit auch Rinteln einen Beitrag zum natürlichen Klimaschutz leisten kann.