Die Schwingen des Fischadlers über der Auenlandschaft

Sichtungen des Greifvogels häufen sich in Hohenrode / Bald Brutvogel im Wesertal?


Kreisender Fischadler mit gefangenem Fisch über der Auenlandschaft. - Foto: Kathy Büscher
Kreisender Fischadler mit gefangenem Fisch über der Auenlandschaft. - Foto: Kathy Büscher

Der Fischadler trägt seinen Namen völlig zurecht: Neunzig Prozent der Nahrung besteht aus Fisch. Seine Beute erspäht der Meisterjäger aus dreißig bis vierzig Metern Höhe über dem Wasser. Entdeckt er einen Fisch, legt er die Flügel an und geht in den Sturzflug über. Im letzten Augenblick über dem Wasser schnellen seine Fänge voran und er durchbricht mit aufspritzender Fontäne die Wasseroberfläche. Unmittelbar taucht der „Fisch-Aar“ wieder auf und mit ausgebreiteten Flügeln treibt er kurz über dem Wasser, bis er sich mit aller Kraft aus dem Nass erhebt.

 

Der Faszination dieses Naturschauspiels kann sich kaum jemand entziehen, das seit geraumer Zeit auch in den fischreichen Gründen der Auenlandschaft Hohenrode zu beobachten ist. Wer genau hinschaut, kann den Greifvogel mit dem weißen Kopf und dem charakteristischen scharf abgesetzten, dunkelbraunen Augenstreif im Wesertal auf der Jagd beobachten. „Gerade jetzt im Spätsommer häufen sich die Sichtungen des in Niedersachsen vom Aussterben bedrohte Vogels in der Auenlandschaft Hohenrode. Wir sind sicher, dass er hier eine neue Heimat finden wird“, so Nick Büscher, 1. Vorsitzender der NABU-Gruppe Rinteln. Und die Fischadler stehen in Niedersachsen unter Breitungsdruck – insbesondere junge Fischadlerpaare suchen derzeit neue Brutreviere, die sie nach ihrer Rückkehr aus Westafrika ab Ende März besetzen werden.


Dabei hatte es der Fischadler in der Vergangenheit alles andere als leicht: Die direkte Verfolgung zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Bejagung, Eiersammlung und Horstzerstörung führte zu einer Vernichtung vieler Brutpopulationen. In den 1950er und 1960er Jahren führte die Anwendung von DDT zur Vergiftung der Greifvögel und zu weiteren Bestandsrückgängen. Erst seit Mitte der 1980er Jahre erholen sich die Bestände durch konsequenten Schutz und Jagdverschonung. Während in Ostdeutschland etwa 210 Brupaare im ursprünglichen Verbreitungszentrum brüten, schaffen bislang erst wenige Fischadlerpaare den Sprung in andere Bundesländer. Optimaler Schutz ist nötig, damit die „Vorposten“ im Westen ausgebaut werden können, wie man beim NABU weiß. Die Wiederansiedlung des Fischadlers in Westdeutschland stimmt vorsichtig optismistisch – wurde 2011 doch der Höchststand an brütenden Fischadlerpaaren in Niedersachsen seit dem Verschwinden der Art vor über 100 Jahren verzeichnet. Erst seit 1991 brüten wieder Fischadler in Niedersachsen, mittlerweile sind es 14 Brutpaare, die für Nachwuchs sorgen. Die Erfahrungen der wiederangesiedelten Fischadler am Steinhuder Meer zeigen, dass es möglich ist, durchziehende Fischadler mit vorbereiteten Horsten zur Brut anzulocken. Darüber hinaus ist eine Beruhigung der potenziellen Brut- und Nahrungsgebiete von großer Bedeutung für den Erfolg dieser Maßnahmen.


Der Fischadler sitzt schon mal Probe auf dem für ihn errichteten Horst. - Foto: Kathy Büscher
Der Fischadler sitzt schon mal Probe auf dem für ihn errichteten Horst. - Foto: Kathy Büscher

Die Auenlandschaft eignet sich ideal für den auch „Flussadler“ genannten Greifvogel, der insbesondere Auen benötigt, die in Niedersachsen rar geworden sind: „Die Lebensraumbedingung in Hohenrode sind ideal: Fischreiche Gründe und ein Brutplatz, der die notwendige Ungestörtheit gewährleistet“, wie Büscher erläutert. Die Auenlandschaft ist in hervorragender Weise geeignet, den Fischadler ein Refugium zu bieten – als typischer Bewohner der See- und Flusslandschaften ist der Greifvogel zudem ein Bioindiaktor für die Intaktheit unserer Natur und erobert sich zunehmend auch Naturräume aus zweiter Hand.

 

Um der Verantwortungsart unter die Flügel zu greifen, möchten die ehrenamtlichen Naturschützer des NABU gezielt Maßnahmen ergreifen: Ihre Horste setzen Fischadler in Mitteleuropa meist auf die Wipfel alter, kronendürrer und freistehender Bäume – wo diese fehlen, können Kunsthorste helfen. Fischadler haben bereits seit den 1930er Jahren auch Strommasten als stabile Brutunterlage entdeckt. Die Naturschützer planen, auf dem durch Kiesabbau entstanden Naturareal einen Kunsthorst für den Fischadler zu errichten. „Der Erfolg dieser Maßnahme ist mehr als wahrscheinlich, da sich die Greife vom Steinhuder Meer aus weiter ausbreiten werden, wo derzeit drei bis vier Fischadlerpaare brüten“, wie Büscher bekräftigt. Mit gezieltem Artenschutz werden die Fischadler von Rastvögeln zu Brutvögeln an der Weser.


Aus sicherer Entfernung lassen sich Fischadler bei der Brut auf einem Kunsthorst beobachten. „Keinesfalls jedoch dürfen ‚wilde‘ Beobachtungen an anderen Stellen erfolgen, da dadurch das Fischadlerpaar gestört werden kann und eventuell sogar die Brut aufgibt“, so Büscher abschließend. Der amerikanische Ornithologe Roger Tory Peterson hat einmal gesagt: „Von all den Greifvögeln ist es der Fischadler, der mit dem modernen Menschen am glücklichsten zusammenleben kann, wenn man ihm eine Chance gibt.“