Trocken, für Anfang Mai jedoch recht kühl präsentiert sich an diesem Sonntagmorgen das Wetter. Mehr und mehr Menschen finden ihren Weg nach Friedrichsburg, um sich vom Hessisch Oldendorfer Forstamtsleiter Christian Weigel den Naturwald „Bienenknick“ und die ökologischen Zusammenhänge zeigen zu lassen. Nach der Begrüßung durch Dr. Nick Büscher, Vorsitzender des NABU Rinteln, taucht die dreißigköpfige Exkursionsgruppe unter Leitung von Weigel in den Naturwald ein.
Das 18 Hektar große Gelände wird seit dem Jahr 1998 nicht mehr bewirtschaftet, die Natur sich selbst überlassen:„Diese Buchen hier sind 160 Jahre alt“, erläutert Weigel und zeigt auf die riesigen Bäume. Naturwald – das bedeutet, dass der Wald einer natürlichen Entwicklung ohne menschlichen Eingriff überlassen wird. Ein rotes Hinweisschild weist auch auf Gefahren hin: Durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume entsteht aber auch eine Menge Totholz, das nach und nach zerfällt und dabei wertvolle Lebensräume für Insekten darstellt.
„Die Entwicklung der empfindlichen Waldgemeinschaft wird wissenschaftlich dokumentiert. Dazu ist es nötig, den Wald in einzelne Segmente aufzuteilen und zu markieren“, erklärt Weigel. Das Konkurrenzdasein zwischen den einzelnen Baumarten, vor Allem aber die Besonderheiten des überwiegend vorhandenen Buchenbestands werden anschaulich gemacht, insbesondere die damit verbundenen Verdrängungsprozesse: „Der Wald ist alles andere als friedlich. Von einem romantischen Blick muss man sich lösen, denn das Morden und Töten im Wald ist alltäglich, auch wenn man die Schreie der Pflanzen nicht hört“, wie Weigel verdeutlicht. Die Buche sorgt durch dichtes Kronenwerk nämlich nach und nach dafür, dass andere Baumarten wie die Eiche nicht mehr zum Zuge kommen.
Auch auf die weitere Vergesellschaftung verschiedenster Pflanzengruppen geht er ein. „Dies hier ist eine Wald-Segge, man erkennt sie am dreieckigen Stängel-Querschnitt“, erklärt der Forstamtsleiter und zeigt den Naturinteressierten eine Graspflanze. Mit einem Spaten wird ein quadratisches Stück Erdschicht aus dem Boden herausgetrennt, an dem Weigel den Werdegang des Laubes und anderer Bestandteile zu Humus erläutert.
Vorbei geht es an blühendem Waldmeister, umgestürzten Bäumen, die von Baumpilzen bewachsen sind, moosbewachsenen Baumstümpfen bis zu einem auffällig durchlöcherten Baum. „Das ist das Werk des Schwarzspechtes, der immer wieder neue Nisthöhlen anlegt“, wie der Förster erklärt. Andere Tierarten haben ihren Vorteil davon, da Fledermaus, Hornisse & Co. diese als ‚Nachmieter‘ gerne nutzen. Auch hierfür ist ein alter Baumbestand wichtig, wie man diesen im Naturwald „Bienenknick“ findet.
Auch der Friedrichsburger Bach, der sich durch den Wald schlängelt, beeinflusst die Pflanzenzusammensetzung des Naturwaldes. Auf dem Weg können Baumspalten entdeckt werden, die als Sommerquartiere für Fledermäuse sehr wichtig sind. Immer wieder singt die Mönchsgrasmücke, und auch ein Kolkrabe gibt während der Exkursion ein Stelldichein. An einem großen Baumstamm, der auf dem Waldboden liegt, wird Halt gemacht: In die Rinde umgestürzter, moosbewachsener Bäume legen Käfer gerne ihre Larven ab. „Natürlich weiß der Specht, wo er diese finden kann“, wie Weigel erklärt und zeigt auf ein zerhacktes, loses Teilstück der moosüberzogenen Rinde.
Nach der mehr als zweistündigen interessanten Entdeckungstour durch den Naturwald „Bienenknick“ konnte die Exkursionsgruppe mit viel neuem Wissen über die Waldökologie die Heimreise antreten. Man hat einen Einblick in den jungen Urwald von morgen erhalten, in dem der Anfang für einen dynamischen Entwicklungsprozess gemacht ist.