Rinteln (who). Gruselig finden sie es auf keinen Fall, die 40 Teilnehmer, die sich am Freitagabend durch Rintelns Grüngürtel führen lassen, um in der Abenddämmerung Fledermäuse bei der Insekten-Jagd zu beobachten. „Und wir haben gar nicht mit so viel Interesse gerechnet“, ist Nick Büscher, der Vorsitzende der NABU-Gruppe Rinteln mehr überwältigt als überrascht von der großen Teilnehmerzahl bei der Fledermauswanderung.
Wenn sie denn fliegen, dann sind sie ganz in der Nähe zu finden, erklärt Gerd Rehbein und führt die Gruppe vom Treffpunkt am Parkhaus an der Hartler Straße zur benachbarten Graft. Der Deckberger ist der Fledermaus-Spezialist vom NABU Rinteln und weiß, die Nachtjäger mit den Hautflügeln kommen für gewöhnlich zum Teich im Blumenwall-Park.
Rehbein und Kathy Büscher als zweite „Fledermausaufspürerin“ sind ausgerüstet mit Batteriehandlampen und vor allem mit Ultraschall-Empfangsgeräten. Letztere fangen die Laute der Tiere ein und „übersetzen“ sie in für das menschliche Ohr hörbare Knattertöne. Gleichzeitig lässt sich an den angezeigten Frequenzen ablesen, welche Fledermausart gerade den Einzugsbereich durchfliegt. Die Lampen hat Gerd Rehbein mitgebracht, um den Fledermauswanderern die Nachtjäger möglichst auch optisch zeigen zu können. Als die Spürgeräte nach fast einer halben Stunde noch keine Flugaktivität angezeigt haben, merkt er an: „Bei solchen Sachen muss man Geduld haben und viel Glück.“ Dabei ist er zuversichtlich: Wenn das Wetter so bleibt, dann kommen sie bestimmt noch.
Vor allem aber darf es nicht regnen, weil die Geräusche das empfindliche Ortungssystem der Tiere stören, erklärt Nick Büscher. Dass es ganz in der Nähe erhebliche Fledermauspopulationen gibt, ist sicher. Denn: Die benachbarte Altstadt mit ihren Dachböden, Winkeln und Mauerritzen bietet zahlreiche optimale Tages-Schlafquartiere während der warmen Jahreszeit. Ebenso die Höhlen in den alten Bäumen des Blumenwalls.
Gut 10 Minuten später und spürbar dämmeriger ist es geworden, als die Spürgeräte erste Fledermaus-Aktivität zeigen und sogar mit bloßem Auge noch die typischen abgehackten Bewegungen einiger Tiere über der Wasserfläche zu sehen sind. Vor allem Wasser- und Teichfledermäuse müssen es gewesen sein, erklärt Nick Büscher nach der Wanderung. Die eingefangenen Laute im Frequenzbereich von 25 Kilohertz ließen auf die kleinere Wasserfledermaus und die Töne im Bereich über 45 Kilohertz auf ihre größere Verwandte, die Teichfledermaus, schließen.
Die Rintelner Altstadt bietet ideale Tagesquartiere, kommt Büscher auf die Voraussetzungen für Fledermausvorkommen zurück. „Dabei genügen den kleineren Arten Durchlässe ab einem Zentimeter Weite, um sich verstecken zu können.“ Meist seien es kleinere Ansammlungen in den Quartieren, doch gebe es auf Rintelner Gebiet sogar gleich zwei Unterschlupfmöglichkeiten von erheblicher Größe mit mehreren hundert Tieren und dem EU-Schutzstandard FFH („Flora-Fauna-Habitat“). Büscher erklärt dazu: Eine Kolonie des Großen Mausohres ist auf dem Dachboden der Steinberger Kirche zu Hause sowie eine Kolonie von gut 750 Großen Abendseglern in der Dehnungsfuge der Autobahnbrücke an der Landesgrenze kurz vor Kleinenbremen.
Insgesamt seien im Landkreis Schaumburg Vorkommen von mindestens 15 Fledermausarten bekannt, berichtet Nick Büscher. Darunter als imposanteste der Große Abendsegler mit einer Körperlänge von bis zu neun Zentimetern bei einer Flügelspannweite von bis zu 40 Zentimetern. Diese Art komme überwiegend in Waldgebieten vor und könne auf der Jagd nach Insekten in Höhen bis zu 40 Metern aufsteigen.
Nick Büscher weiter: „Um Fledermäusen in der Nähe von Wohngebieten Lebensraum zu bieten, brauchen sie nicht zuletzt Tagesunterstände und deshalb sollte man nicht gleich jede Fuge an Gebäuden abdichten.“ Darüber hinaus seien sogenannte Fledermaus-Spaltenkästen als Quartiere eine gute Alternative. In diesem Zusammenhang werbe der Nabu-Landesverband Niedersachen um Verständnis für die Tiere mit Initiativen wie „Unter einem Dach – Menschen und Fledermäuse“ oder „Fledermausfreundliches Haus“. Mehr Information dazu befinden sich unter www.nabu-niedersachsen.de.
Schaumburger Zeitung vom 28. Juli 2009